Nasrin Larijani: Das Stottern der Bilder beim Erfassen der Realität

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veröffentlicht als Administrator
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11.05.2025
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Nasrin Larijani und ihre Erforschung der Zeit

Nasrin Larijani (geb. 1995), eine iranische Künstlerin, setzt sich in ihren Werken auf komplexe Weise mit dem Konzept der Zeit auseinander. Ihre neueste Kollektion mit dem Titel Stammer wurde im Februar 2025 in der Project 0098, Space No.1 Gallery in Teheran, Iran, ausgestellt.


Zwei Ausstellungsbereiche: Große Banner und gerahmte Fotografien

Die Ausstellung besteht aus zwei Bereichen: Im Eingangsbereich sind großformatige Bilder auf Bannern gedruckt (Abb. 1), während der zweite Bereich kleinere Fotografien mit Passepartout zeigt (Abb. 2).


Stottern als visuelle Sprache


In ihrem Ausstellungstext beschreibt Larijani den Titel Stammer als etwas, das zwischen den dualen Konzepten von Wiederholung und Bruch existiert. Sie erklärt: "Stottern ist eine Sprachstörung, die unwillkürliche Unterbrechungen oder Wiederholungen von Phonemen, Silben oder Wörtern verursacht."[1] Auf die Frage, warum sie einen Begriff gewählt habe, der mit Sprache zu tun hat, antwortete die Künstlerin:
"Auch Bilder stellen eine Form von Sprache dar."[2] Um diese Wiederholung visuell zu vermitteln, verwendet sie Pixelierung als eine Methode, um Stottern in der Fotografie darzustellen.


Der Tod als zentrales Thema

Larijanis Werke in dieser Sammlung sind eng mit dem Thema Tod verbunden. Sie untersucht Bilder von Personen in Todesporträts – Porträts, in denen die Subjekte den Betrachter direkt anstarren, während sie der Natur den Rücken zukehren. Sie sagt: "Im Wesentlichen stehen sie uns zugewandt, mit dem Rücken zu Bäumen, dem Meer, Blumen und Bergen."[3]


Realität, Abwesenheit und die Fragmentierung von Bildern

Die Künstlerin sammelt diese Fotografien und analysiert ihre umliegenden Landschaften über Fernsehbildschirme. Sie vergrößert und verkleinert die Bilder, fotografiert sie vom Bildschirm neu und besucht manchmal die Originalschauplätze erneut, um neue Bilder aufzunehmen. Schließlich druckt sie sie auf großen Bannern. Diese Wahl des Mediums verstärkt die Konfrontation des Betrachters mit dem Thema Tod und verstärkt ihr Konzept.

Dieser Prozess wirft eine grundlegende Frage auf: Vermittelt eine Fotografie wirklich die Realität? Die Personen auf diesen Bildern sind in dieser Umgebung nicht mehr präsent – ihre verlorene Präsenz manifestiert sich als eine Form des visuellen Stotterns innerhalb des Bildes.


Der zweite Abschnitt: Erforschung von Abwesenheit und Auslöschung

Im zweiten Teil der Ausstellung erforscht Larijani die Idee der Abwesenheit, indem sie das Subjekt aus dem Foto entfernt. Sie verwendet Bilder von den ersten Bildern von Filmrollen – oft verzerrt, mit Lichtstreifen an den Rändern (Abb. 3).

Durch das Sammeln dieser fehlerhaften Bilder hebt sie das inhärente Scheitern der Fotografie hervor, die Realität vollständig zu erfassen. Wie die Ausstellungsbeschreibung feststellt: "Ich sehe jemanden am Rande, auf der Linie des Brennens – jemanden, der zwischen Fotografiertwerden und Nicht-Fotografiertwerden gefangen ist, jemanden, der ausgelöscht, aber dennoch erinnert wird."[4]


Das Paradoxon von Wiederholung und Vergessen

Larijanis Sammlung präsentiert zwei Modi der Auslöschung der Realität: Im ersten Teil wird die Realität durch Pixelwiederholung verschleiert, während sie im zweiten Teil durch den fotografischen Apparat selbst gestört wird.[5]

Durch ihre großen Banner entfernt sie nicht nur das bereits abwesende Subjekt, sondern lädt den Betrachter auch ein, sich mit der Vorstellung der Überwindung des Todes auseinanderzusetzen. Ihre Arbeit ermöglicht es uns, die Gegenwart des Todes wiederholt zu erfahren – eine Wiederholung, die paradoxerweise von seiner Schwere ablenkt.


Larijanis frühere Arbeiten: Zeit, Erinnerung und Auslöschung

Ihre früheren Projekte, Dark Room[6] und Calendar[7], beschäftigen sich ebenfalls mit Zeit, Abwesenheit, Anwesenheit und Auslöschung. In Dark Room erforscht sie Räume, in denen Anwesenheit nicht mehr möglich ist. Sie besucht den Shush-Platz und sucht nach physischen Überresten einer Uhr, die einst dort stand, aber jetzt fehlt.

Ihr Projekt Calendar verfolgt eine ähnliche Richtung – am 10. jedes Monats kehrt sie nach Shahr-e No (einem abgebrannten Viertel) zurück und fotografiert seinen Park. Die Serie besteht aus 12 Bildern für 12 Monate und schafft einen visuellen Kalender für das neue Jahr.


Geschichte, Auslöschung und das Verblassen des kollektiven Gedächtnisses

Larijani thematisiert auch die Abwesenheit innerhalb des kollektiven Gedächtnisses – eine Leere, die sich im Laufe der Zeit bildet und in Form eines neuen Kalenders auftritt. In ihrer Arbeit wird die Geschichte aus dem physischen Gefüge der Stadt weggewaschen, so wie Fotografien allmählich ihre Fähigkeit verlieren, die Realität zu dokumentieren.

Wie Marcel Proust schreibt: "Am nächsten Abend suchte ich erneut nach dem schönen Platz, den ich am Abend zuvor gefunden hatte. Ich wanderte durch Straßen, die alle gleich aussahen, und fand kein erkennbares Zeichen, nur ein wachsendes Gefühl der Verwirrung. Manchmal schien ein vager Orientierungspunkt vertraut zu sein, was mich denken ließ, dass ich bald in einer engen Passage diesen verlorenen Platz in seiner Stille und Einsamkeit wiederentdecken würde."
(Marcel Proust, 2003, S. 282)


 Abb. 1: Nasrin Larijani, Stammer Collection, 0098 Projektgalerie, 2025.

Abb. 2: Nasrin Larijani, Stammer Collection, 0098 Projektgalerie, 2025.



Referenzen:

1. Larijani, Nasrin, Statement, 2025.

2. Larijani, Nasrin, Interview mit Firoozeh Saboori, 21. Februar 2025.

3. Larijani, Nasrin, Statement, 2025.

5. Larijani, Nasrin, Interview mit Firoozeh Saboori, 21. Februar 2025.

6. Larijani, Nasrin, Darkroom-Kollektion, 2023.

7. Larijani, Nasrin, Calendar-Kollektion, 2024.


Firoozeh Saboori

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