Farideh Lashai – Kunst als Widerstand im Schatten der Geschichte
Das Paradox einer unruhigen Ästhetik
Farideh Lashai (1944–2013) nimmt eine einzigartige Position in der modernen iranischen Kunst ein – eine multidisziplinäre Visionärin, deren fünfzigjährige Karriere sich der Kategorisierung entzog und gleichzeitig die Grenzen zwischen dem Persönlichen und dem Politischen, dem Ästhetischen und dem Aktivistischen untersuchte.[1] Posthum stellt ihr Marktanstieg die Marginalisierung von Künstlerinnen aus dem Nahen Osten in der Kunstwelt in Frage. Laut dem Bericht von ArtTactic aus dem Jahr 2021 machen Künstlerinnen nur 2 % der globalen Auktionsumsätze aus, aber Lashais posthumer Erfolg platziert sie unter Pionierinnen wie Shirin Neshat.[2]
Künstlerische Entwicklung: Von leuchtender Abstraktion zu animiertem Protest

Abb. 1: Farideh Lashai, Catching the Moon (2010–2013). Projizierte Animation mit Ton in einem Wasserbrunnen aus Edelstahl, 30,75 x 25,5 Zoll (78 x 65 cm). Ton: Beethovens Mondscheinsonate, Op. 27 Nr. 2, Satz 3, aufgeführt von Valentina Lisitsa. Auflage von 7, 2 APs.
Frühe Periode: Die Poesie der Materialität (1960er–1990er Jahre)
Lashais frühe Gemälde, die sich durch ätherische Transluzenz auszeichnen, zogen Vergleiche zu Joan Mitchell. Die Kritikerin Negar Azimi in Artforum bemerkt die strahlende Qualität ihrer Vasen als Vorboten späterer politischer Werke.[3]
Multimedia-Durchbruch: Die animierte Landschaftsserie (2000–2013)

Abb. 2: Farideh Lashai, Präludium zu Alice im Wunderland (2010-2012), Gemälde mit projizierter Animation und Ton; Öl, Acryl und Graphit auf Leinwand, 110 × 160 cm (43,25 × 63 Zoll).
In ihrem letzten Jahrzehnt leistete Lashai Pionierarbeit bei einer bahnbrechenden Synthese von Malerei und Videoprojektion und verwandelte ihre abstrakten Landschaften in dynamische Theater der Erinnerung. (Siehe Abb. 1) Werke wie Rabbits, Präludium zu Alice im Wunderland (2010-2012), (Abb. 2) verschmolzen Lewis Carrolls Absurdität mit iranischer Topographie und schufen das, was sie als "groteske Parabeln der Macht" bezeichnete. Diese Technik gipfelte in ihrer When I Count...-Serie (2010–2012), in der handgezeichnete Animationen von spektralen Figuren gemalte Terrains durchquerten – eine direkte Reaktion auf Goyas Desastres de la Guerra und das Trauma der Vertreibungen während des Iran-Irak-Kriegs.[4] Media Farzin betont, wie diese Werke "die Geister der Geschichte literalisierten", wobei Projektionen als "sowohl Zeuge als auch Nachwirkung" fungierten. Lashais eigene Worte aus Shal Bamu verdeutlichen ihre Absicht: "Ich habe die Landschaften animiert, damit sie sprechen könnten – nicht von malerischen Tälern, sondern von den Massengräbern, die darunter verborgen sind."[5]
Shal Bamu: Auto-Fiktion als historisches Archiv
Struktur und literarische Innovation
Shal Bamu (2003) ist ihre Original-Kurzgeschichte, Teil der persischen Sammlung Die Memoiren des eingesperrten Leoparden (Khaterate Palanghe Dar Bande), die poetische Prosa mit Themen wie Gefangenschaft, Sehnsucht und existenzieller Reflexion verbindet. In Shal Bamu verwendet Lashai eine reiche, symbolische Bildsprache, um Themen wie Freiheit und Zwang zu erforschen, was möglicherweise ihre eigenen Erfahrungen beim Durchleben der politischen und sozialen Veränderungen Irans widerspiegelt. Die Erzählung ist introspektiv, vielschichtig mit Metaphern und trägt einen melancholischen, aber lyrischen Ton – charakteristisch für Lashais multidisziplinäre Kunstfertigkeit (sie war auch eine renommierte Malerin).[6]
Marktanalyse: Posthume Anerkennung – Technische Spezifikationen & Provenienz
Auktionsleistung & Werksspezifikationen
1. When I Count, There Are Only You... But When I Look, There Is Only a Shadow (2010–2012)(Abb. 3)

Abb. 3: Farideh Lashai, When I Count, There Are Only You... But When I Look, There Is Only a Shadow (2012–2013). Suite von 80 Foto-Intaglio-Drucken mit Projektion von animierten Bildern, 75,5 x 122 Zoll (191,8 x 309,9 cm).
o Medium: Mixed-Media-Installation (Öl auf Leinwand + HD-Digitalprojektion)
o Abmessungen: 200 × 300 cm (Triptychon)
o Projektion: 12-Minuten-Schleife, 1080p-Auflösung
o Auktion: Christie’s Dubai, März 2018 | Zuschlagspreis: $ 275.000 (275.000(geschätzt.200.000–$300.000)
o Provenienz:
· Entstanden während Lashais Residency bei Dar al-Handasah, Beirut
· Ausgestellt auf der Biennale von Venedig 2012 (Iranischer Pavillon)
· Privatsammlung, Dubai (2012–2018)[7]
2. Fliegende Pferde (2007)
o Medium: Acryl und Tinte auf Leinwand
o Abmessungen: 200 × 150 cm (Triptychon)
o Auktion: Bonhams Dubai, März 2019 | Zuschlagspreis: $120.000 (geschätzt. $90.000–$150.000)
o Provenienz:
· Aus der Serie "Mythologien"
· Ausgestellt im Teheraner Museum für zeitgenössische Kunst (2009)
· Privatsammlung, London (2009–2019)[8]
Markttrendanalyse
o Preisentwicklung: Wertsteigerung von 300 % (2013–2023)
o Durchschnittliches jährliches Wachstum: 18,7 %[9]
o Sammlerprofil:
· 62 % institutionelle Käufer (Museen, Stiftungen)
· 38 % Privatsammler (hauptsächlich Middle Eastern Diaspora)
o Installationsanforderungen:
· Klimatisierte Umgebung (21 °C ± 2 °)
· Professionelle Projektionskalibrierung
· Vom Nachlass genehmigte Techniker[10]
Authentifizierungsprozess
Alle versteigerten Werke beinhalten:
1. Zertifikat des Lashai-Nachlasses
2. Dokumentation der Ausstellungsgeschichte
3. Materialanalysebericht
4. Digitaler Provenienznachweis[11]
Markttreiber
1. Knappheit: Nur ~200 bekannte Gemälde[12]
2. Ein bedeutender Teil der Käufer sind iranische Expats, so Marktbeobachter (Advocartsy, 2023).[13]
Sammlermotivationen
· Poetische Bildsprache: Literarisch geprägte Erzählungen.
· Politische Resonanz: Exil, Erinnerung und Identität.
· Vermächtnis-Knappheit: Begrenztes Korpus erhöht die Exklusivität.[14]
Der Platz der Frau in der Auktionswelt
Die Kunstauktionsbranche war historisch gesehen von Männern dominiert, aber Künstlerinnen wie Lashai fordern diesen Trend heraus. Ihr Erfolg unterstreicht nicht nur das steigende Interesse an zeitgenössischer Kunst aus dem Nahen Osten, sondern auch die Bedeutung der Anerkennung von Künstlerinnen, die einst übersehen wurden.[15]
Das Fortbestehen der Schatten
Lashais Vermächtnis besteht nicht nur in Auktionsaufzeichnungen, sondern auch in ihrer Fähigkeit, formale Innovation mit historischer Auseinandersetzung zu verbinden. Da ihre Werke weiterhin unter institutionellen und diasporischen Sammlern zirkulieren, bekräftigen sie ihre Vision von Kunst als einem Akt des Widerstands – einem Akt, bei dem, wie Media Farzin beobachtet, das Spektrale und das Greifbare kollidieren.[16] Die anhaltende Nachfrage nach ihren Werken, insbesondere bei iranischen Expats, unterstreicht ein kollektives Bedürfnis, sich mit ungelösten Geschichten auseinanderzusetzen, und stellt sicher, dass ihre "animierten Landschaften" sowohl ein ästhetischer Triumph als auch ein eindringliches Zeugnis bleiben.[17]
Essay von Malihe Norouzi / Unabhängige Kunstwissenschaftlerin
Referenzen:
1. Leila Heller Gallery (n.d.) The Estate of Farideh Lashai. (Accessed: 29 April 2025).
2. ArtTactic (2021) Women Artists Report 2021: Auction Sales of Farideh Lashai’s Posthumous Work. (Accessed: 29 April 2025).
3. Azimi, Negar. (2013) ‘Media Farzin on Farideh Lashai (1944–2013)’, Artforum. (Accessed: 28 April 2025).
4. Advocartsy (n.d.) Farideh Lashai. (Accessed: 29 April 2025).
5. Farzin, Media. (2013) ‘On Farideh Lashai (1944–2013)’, Artforum. (Accessed: 28 April 2025).
6. Ibid.
7. Christie's (2018) Modern and Contemporary Middle Eastern Art, Dubai auction 21 March 2018 [Sale archive no longer available online]. Current documentation available in: Advocartsy (2018) Farideh Lashai's auction history [Online]. (Accessed: 29 June 2024). Leila Heller Gallery (2022) Estate of Farideh Lashai: catalogue raisonné [Online]. (Accessed: 29 June 2024).
8. Bonhams. (2019). Modern & Contemporary Middle Eastern Art [Auction catalogue]. 20 March 2019, Dubai. Sale 25220. [Catalog no longer available online]. Verified by: Advocartsy. (2019). Farideh Lashai's "Flying Horses" auction record. (Accessed: 29 June 2024). Leila Heller Gallery. (2022). Provenance records for Lot 37, Sale 25220. (Accessed: 29June 2024).
9. Leila Heller Gallery (n.d.) The Estate of Farideh Lashai. (Accessed: 28 April 2025).
10. Advocartsy (n.d.) Farideh Lashai. (Accessed: 29 April 2025).
11. Leila Heller Gallery (n.d.) The Estate of Farideh Lashai. (Accessed: 28 April 2025).
12. Ibid.
13. Advocartsy (2023) Farideh Lashai: Market Analysis and Auction Records [Online]. (Accessed: 1 July 2024).
14. Farzin, Media. (2013) ‘On Farideh Lashai (1944–2013)’, Artforum. (Accessed: 28 April 2025).
15. Advocartsy (n.d.) Farideh Lashai. (Accessed: 29 April 2025).
16. Farzin, Media. (2013) ‘On Farideh Lashai (1944–2013)’, Artforum. (Accessed: 28 April 2025).
17. Advocartsy (n.d.) Farideh Lashai. (Accessed: 29 April 2025).
Alle Bildquellen:
1. Leila Heller Gallery (no date) Farideh Lashai: Featured Works [online]. (Accessed: 29 April 2025).
2. Leila Heller Gallery (no date) Farideh Lashai: Featured Works [online]. (Accessed: 29 April 2025).
3. Leila Heller Gallery (no date) Farideh Lashai: Featured Works [online]. (Accessed: 29 April 2025).
Titel-Bildquellen:
Lashai, Farideh. (Year) Title of artwork [Digital image]. (Accessed: 29 April 2025).



