Die Macht der Berührung und des Blicks: Amoako Boafo
Ein ghanaischer Visionär formt die zeitgenössische Porträtkunst neu
Amoako Boafo (1984) ist ein ghanaischer Künstler, der die zeitgenössische Porträtkunst maßgeblich beeinflusst und kulturelle Narrative innerhalb Afrikas und der afrikanischen Diaspora neu gestaltet hat. Seine innovative Herangehensweise an die Porträtkunst, bei der er seine Finger anstelle traditioneller Pinsel verwendet, ermöglicht eine taktile Verbindung zwischen dem Künstler und dem Subjekt und vermittelt emotionale Tiefe und Persönlichkeit.[1] Boafo zog 2013 nach Wien und wurde in die europäische Porträtkunst eingeführt, während er gleichzeitig mit rassistischer Ausgrenzung innerhalb der österreichischen Kunstwelt konfrontiert war. Seine Erfahrung der Ablehnung in Europa weckte den Wunsch, die schwarze Kultur und Identität durch Kunst auf eine Weise zu feiern, die mit seiner eigenen Vision von ihrer Stärke, Schönheit und Komplexität übereinstimmte.[2] Dieses vertiefte Gefühl des Ziels spiegelt sich in der emotionalen Intensität seiner Arbeit wider. Boafos Erfahrung der Ausgrenzung entfachte ein tiefes Verlangen, die schwarze Identität durch seine Kunst zurückzugewinnen und die Narrative herauszufordern, die schwarze Figuren oft auf Stereotypen oder Tragödien reduziert haben. Seine Verwendung von Farbe und Form spiegelt dieses Verlangen wider – sie verwandelt die traditionelle Porträtkunst in eine kraftvolle Feier der Individualität seiner Subjekte.[3]
Transkulturelle Synthese: Verschmelzung des ghanaischen Erbes mit europäischer Kunstgeschichte
Seine Arbeit verschmilzt sein ghanaisches Erbe mit europäischer Kunstgeschichte und fordert den Ausschluss schwarzer Künstler aus traditionellen westlichen Kunsträumen heraus. Seine Porträts heben die Stärke und Schönheit schwarzer Individuen hervor, widersetzen sich Stereotypen und feiern ihre Präsenz. Beeinflusst von Künstlern wie Gustav Klimt, Egon Schiele und Kehinde Wiley, verwebt Boafo Elemente dieser ikonischen Figuren in seine eigene Vision. Während beispielsweise Klimts ornamentaler Stil und die Verwendung von Blattgold in einigen von Boafos Werken deutlich vorhanden sind, interpretiert Boafo diese Elemente als kraftvolle Symbole neu, nicht nur als dekorative Akzente. In ähnlicher Weise geht Boafo, wo Kehinde Wileys Porträts schwarzer Figuren den Raum der klassischen Porträtkunst zurückerobern, noch einen Schritt weiter, indem er seine Finger verwendet, um intime, taktile Verbindungen herzustellen, die eine tiefere emotionale Bindung zwischen dem Subjekt und dem Betrachter vermitteln.[4] Dabei stellt Boafos Werk aktiv die schwarze Subjektivität, Freude und den schwarzen Blick in den Mittelpunkt, sodass sich die Figuren mit Selbstvertrauen und Präsenz behaupten können, anstatt als passive Subjekte betrachtet zu werden. Damit verbindet Boafo historische und zeitgenössische Einflüsse zu einem unverwechselbaren Stil, der Selbstvertrauen, Stil und Individualität betont.[5]

Abb. 1. moako Boafo, Enyonam’s Black Shawl, 2020, Öl- und Papiertransfer auf Leinwand.
In seiner Praxis verwendet Boafo Farbe nicht nur als visuelles Werkzeug, sondern auch als eine Form der Kommunikation, die Stimmungen und Emotionen innerhalb seiner Subjekte und seines eigenen künstlerischen Prozesses widerspiegelt. Seine mit den Fingern gemalten Porträts verschieben die Grenzen der konventionellen Porträtkunst und verbinden Malerei mit skulpturalen Elementen, um ausdrucksstarke und dynamische Werke zu schaffen (Abb. 1, 2020).[6] Seine ausdrucksstarken Porträts von Freunden und Bekannten heben den Reichtum und die Vielfalt des Schwarzseins hervor und stellen gleichzeitig mediale und kulturelle Missverständnisse in Frage, die schwarze Individuen entmenschlichen.[7]
Institutioneller Durchbruch: Proper Love im Belvedere Museum

Abb. 2. Amoako Boafo, Papillon Hug, 2024, Öl- und Papiertransfer auf Leinwand.
Die Ausstellung Proper Love (Abb. 2, 2024) im Belvedere Museum in Wien, Österreich, markiert einen entscheidenden Moment in Boafos Karriere. Es ist seine erste Einzelausstellung in einer bedeutenden europäischen Institution und stellt einen wichtigen Meilenstein in seiner künstlerischen Reise dar. Diese Ausstellung erweitert Boafos Erforschung der schwarzen Identität, indem sie sich nicht nur auf die individuelle Stärke konzentriert, sondern auch auf die kollektive Erfahrung des Schwarzseins. Während sich seine früheren Porträts auf die individuelle Stärke konzentrierten, erweitert Proper Love diese Themen zu einer kollektiven Erfahrung und lädt die Betrachter ein, die emotionale Resonanz und Komplexität des Schwarzseins in größerem Maßstab zu erleben. Die Ausstellung umfasst über sechzig Werke und erforscht Themen wie Intimität, schwarze Identität und Repräsentation. Boafos Verwendung seiner Fingerspitzen beim Malen figurativer Porträts lenkt den Blick von den historischen, von Weißen dominierten Narrativen über schwarze Körper ab und präsentiert stattdessen seine Subjekte – seine Gemeinschaft – als selbstbewusst, mutig und verletzlich. Diese Methode betont eine persönliche Verbindung zu seinen Subjekten und zieht die Betrachter in die emotionale Tiefe und Freude der schwarzen Erfahrung.[8]
Seine Ausstellung umfasst ein neues Werk, Papillon Hug, das im Volta-Pavillon ausgestellt wird, einer Struktur aus recyceltem Holz aus Ghana. Dieser Pavillon symbolisiert die Verschmelzung afrikanischer und europäischer kultureller Vermächtnisse und verstärkt die Verbindung des Betrachters mit Boafos Kunst.[9] Durch die Einbeziehung dieses einzigartigen architektonischen Elements stellt Boafo traditionelle Darstellungen des Schwarzseins in Frage und ermöglicht es, seine Arbeit unter ihren eigenen Bedingungen zu betrachten.[10] Der Pavillon lädt zu einem Dialog zwischen afrikanischer und europäischer Kulturgeschichte ein, während die Gegenüberstellung von Boafos Kunst mit ikonischen europäischen Meisterwerken wie Gustav Klimts Der Kuss eine breitere Auseinandersetzung mit den gemeinsamen Geschichten schwarzer und europäischer Kunst anregt.[11]
Neudefinition der schwarzen Repräsentation durch taktile Intimität
Letztendlich definiert Proper Love neu, wie Kunst erlebt werden kann, und fördert ein tieferes Verständnis der schwarzen Identität, Gemeinschaft und der Bedeutung der Selbstdarstellung. In Boafos Werk liegt der Fokus nicht nur darauf, wie das Schwarzsein historisch marginalisiert wurde, sondern auch darauf, wie es gefeiert, verehrt und mit der gleichen Würde wie jedes andere kulturelle Narrativ betrachtet werden kann. Boafos Praxis dient als Akt der Selbsterhaltung, ein kraftvolles Werkzeug, um die schwarze Menschlichkeit zu behaupten, und eine Einladung an alle Betrachter, sich unter ihren eigenen Bedingungen mit der schwarzen Identität auseinanderzusetzen.[12]
Essay von Malihe Norouzi / Unabhängige Kunstwissenschaftlerin
Referenzen:
1. Boafo, Amoako, "A.M. Journal Spread", Mariane Ibrahim Gallery, (Zugriff am 13. Februar 2025).
2. Boafo, Amoako, "Untitled", Phillips Auktionshaus (Zugriff am 13. Februar 2025).
3. Boafo, Amoako, "Exhibition: Amoako Boafo", Contemporary (Zugriff am 13. Februar 2025).
4. Boafo, Amoako, "A.M. Journal Spread", Mariane Ibrahim Gallery (Zugriff am 13. Februar 2025).
5. Boafo, Amoako, "Exhibition: Amoako Boafo", Contemporary (Zugriff am 13. Februar 2025).
6. Boafo, Amoako, "A.M. Journal Spread", Mariane Ibrahim Gallery (Zugriff am 13. Februar 2025).
7. Boafo, Amoako, "Untitled", Phillips Auktionshaus (Zugriff am 13. Februar 2025).
8. Boafo, Amoako, "Proper Love: Amoako Boafos Exploration of Representation, Intimacy, and Black Identity at the Belvedere Museum", Elephant Art (Zugriff am 13. Februar 2025).
9. Ebd.
10. Boafo, Amoako, "Exhibition: Amoako Boafo", Contemporary (Zugriff am 13. Februar 2025).
11. Boafo, Amoako, "Proper Love: Amoako Boafos Exploration of Representation, Intimacy, and Black Identity at the Belvedere Museum", Elephant Art (Zugriff am 13. Februar 2025).
12. Boafo, Amoako, "Exhibition: Amoako Boafo", Contemporary (Zugriff am 13. Februar 2025).
Bildquellen:
1. Boafo, Amoako. (2020), Enyonam’s Black Shawl. (Zugriff am 13. Februar 2025).
2. Boafo, Amoako. (2024), Papillon Hug. In: Amoako Boafo [Ausstellung]. Belvedere Museum, Wien. (Zugriff am 13. Februar 2025).
Bild Cover Quelle:
Centre Pompidou (2024) "In seinen Porträts bearbeitet Amoako Boafo das Fleisch mit seinen Fingern..." [Threads Post]. (Zugriff: 13. Februar 2025).



